Was Hauke Schill nicht wusste
Ganz unten im Süden Europas hat Hauke Schill es sich eingerichtet. Er liebt sein neues Leben so sehr, dass er keine Sekunde über das Angebot der alten Haie nachdenkt. Sie können ihn riechen.
Düdüdüddüdüdüpdüp
Düdüdüddüdüdüpdüp
Düdüdüddüdüdüpdüp
I love your smile
Tönt es aus dem Makita Radio eines Handwerkers der Baustelle.
Wir sehen Hauke Schill zusammen mit einem untersetzten Mann in diesen Arbeiterhosen mit den vielen Taschen gebeugt über einer Zeichnung im DIN-A2-Format. Vor dem Soldiner Eck stehen sechs Fahrzeuge von fünf verschiedenen Gewerken überwiegend im Parkverbot.
Die Zimmerleute erneuern die Balkenkonstruktion im Kneipenraum, der erste Trupp der Maler ist an der Ostseite mit Spachteln beschäftigt, Mitarbeiter eines Sanitärfachbetriebes erneuern Waschbecken und Toilette, und zwei Leute sind damit beschäftigt, zwischen dem Kalksandstein und der Außenwand Dämm-Material einzupusten.
Schill trickst Habeck aus
„Das zahlt alles Habeck“, sagt Hauke Schill, „an dem einen Tag, an dem es die Mittel gab, ich bin durchgekommen, ich hab’, welche bekommen“. Da niemand zuhört, beugt er sich schnell wieder über die Zeichnung und bespricht weitere Details zur neuen Theke mit dem Tischler.
Über eine temporäre Behelfstreppe steigt eine ganz in schwarz gekleidete Person vom ersten Obergeschoss in die Kneipe herunter. Dort, wo einst Hauke sein Lager aufgeschlagen hatte, war nun ein Durchbruch in die erste Etage. Niemand wusste warum. Die Person murmelt Unmutsworte vor sich hin. „Nur Typen hier“, flucht sie still: „Gibt’s denn in Deutschland keine Malerinnen oder Tischlerinnen mehr?“
Als es Hauke Schill in seinem Exil in Palma langweilig wurde und er die Promenade vom Playa de Palma nach Arenal nicht mehr sehen konnte, da reicht ihm ein Anruf. Das Bankenkonsortium hat den Umbau in ein sechsstöckiges Wohn- und Geschäftshaus auf unbestimmte Zeit aufgeschoben, man konnte sich nicht über die Finanzierung einigen. „Wollen Sie nicht zurück, Herr Schill? Die Soldiner braucht sie!“
Rückkehr zum Honecker
Hauke hatte den Anrufer ausgelacht und beleidigt, doch er wusste es sofort. Es gibt nur einen Weg - den zurück: scheiß Süden, scheiß Wärme, scheiß Meer. Was ist das für ein Leben? Nicht das von Hauke!
Wenn das Arbeitsleben vorbei ist, dann ist das Leben vorbei, hatte ihm sein Vater immer gesagt, und er hielt es für Schwachsinn. So war Hauke schon am nächsten Tag zurück am Erich-Honecker-Airport, wie er ihn immer scherzhaft nannte. Sie hatten ihm Tegel genommen, die Bausünde in Brandenburg würde er ihnen nie verzeihen.
In Berlin, dort, wo die Stadtautobahn das Westkreuz teilt, verhandelte klug die Details, und nun ist der Umbau im Gange. All das Zeug hatte er wieder angeschleppt. Die Pokale, den Schnaps, den Sparschrank, den irgendwann niemand mehr befüllt hatte, den Billardtisch, natürlich die Theke in all ihrer verrauchten Schönheit und die Jukebox, das Herzstück seines alten Lebens.
“… und er hat Durst!”
Der Schuppen in Oranienburg war geräumt. Er hatte seine Dienste getan. Die Gescheitelten hatten ihn nur mitleidig angeschaut, sich dann wieder ihren Telefonen gewidmet. Auf Telegram gab es immer was zu tun.
Nur die Jukebox bereitete ihm Sorgen. Da musste er noch einmal ran. „Kai, was ist jetzt mit der Jukebox?“, ruft Schill und Kai legt einen Euro auf einen Malertisch. „Musik bedeutet mir nichts, Herr Schill“, sagt Kai und geht seines Weges. Das mit Kai hatte Hauke niemand erklärt.
Ist jetzt aber auch egal, denn da reißt Justin Hagenberg-Scholz die Tür auf und brüllt: „Dreh alle Hähne auf. Er kommt zurück und er hat Durst!“