Ihre Hass-Kommentare hat niemand vermisst, Herr Dembowski!
Was ist eigentlich mit Dembowski los? Plötzlich ist er abgetaucht. Heistek macht sich auf die Suche und findet den Chef-Ermittler auf der Kranichfarm. Dort wartet eine Überraschung.
Guten Tag!
Sicher haben Sie sich in den vergangenen Wochen immer wieder gefragt: Wo ist Dietfried Dembowski? Gerade noch saß er neben Ihnen im Soldiner Eck, stürzte die Schulle runter wie André Schürrle sich in die Eisbäder und dann war er plötzlich weg. Niemand wusste, was wirklich passiert war. Die Welt war in großer Sorge. Ich, Genevieve Heistek, kann sie nun beruhigen. Alles ist in Ordnung.
Ermittler Heute! hat sich auf die große Reise in das Oderbruch gemacht, um den kauzigen Ermittler auf seiner Kranichfarm zu treffen. Dorthin hatte es ihn Mitte März plötzlich gezogen.
Erst aus großer Sorge um Koi. Dann, als der Karpfen sich nach Tagen der Ungewissheit an der Wasseroberfläche zeigte, aus Leidenschaft für die Neuankömmlinge auf dem herrschaftlichen Anwesen an einem der Seitenarme der Oder. Aus Leidenschaft für die drei Weißborstengürteltiere, die es sich auf einem gut umzäunten Areal der durch den Klimawandel versteppten Farm gemütlich machen.
„Der Winter bereitetet uns noch ein wenig Sorgen“, sagt Dörte, die mich, Genevieve Heistek, am Tor der Farm abholt und mit ausladenden Gesten den ganzheitlichen Ansatz der Kranichfarmer hier im Oderbruch erklärt. „Wir haben rund um den Zaun bis zu vier Meter tief gegraben, um die Flucht der Armadillos zu verhindern“, erklärt sie: „Dabei glaube ich überhaupt nicht, dass sie überhaupt woanders hinwollen.“
Das glauben wir auch: Die Kranichfarm ist der schönste Platz im All – für Karpfen, Kraniche und Gürteltiere! „Hugoito, Dieguito und Louisito sind schockverliebt in diesen Ort“, sagt Dörte nicht ohne Stolz.
Hugoito, Dieguito und Louisito – das sind die Namen der Gürteltiere. „So heißen Tick, Trick und Track in Argentinien und daran wollen wir erinnern“, sagt Dörte während sie Ermittler Heute! auf die Veranda führt. Dort wartet Dietfried Dembowski. Auf dem Plattenspieler dreht sich das neue Album von Beth Gibbons. Die singt: „I'm floating on a moment. Don't know how long. No one knows. No one can stay.“ Der Ermittler ist ganz bei sich. Die 59-Jährige muss ihn meinen. Gibbons singt: „It just reminds us that all we have is here and now!“
Dieses „Here and Now“ ist die Kranichfarm, das ist ein gutes Schulle auf der Veranda und ein kurzer Spaziergang rüber zu Koi, der es sich an diesen ersten heißen Tagen nahe der Uferböschung eingerichtet hat und immer wieder einen Blick auf Hugoito, Dieguito und Louisito wirft.
„Kein Gürteltier wird je an Koi heranreichen können. Aber, Heistek, schauen Sie mal Dieguito und wie er sich einrollen kann. Das ist Kunst! Er ist das wahrscheinlich beste Gürteltier aller Zeiten!“ Wer will dem Ermittler in dieser Frage schon widersprechen? Doch deswegen sind wir nicht hier. Dietfried Dembowski, genannt Dembo, wird uns einige Fragen beantworten müssen. Er hat viel zu lange geschwiegen.
Viel Freude mit dem Gespräch wünscht Ihnen
Genevieve Heistek, Ermittler Heute!
EH!: Hallo, Herr Dembowski!
DD: Sie schon wieder. Legen Sie schon los. Aber lassen Sie mich mit Bochum in Ruhe!
Der VfL hat gestern das Ticket für die zweite Liga gebucht.
Und das ist schrecklich. In den Ruhrpott kommen die Stars nur noch, um mit ihren unterklassigen Lieblingsklubs mitzutrauern. Ob das jetzt Timo Becker und Steven Skrzybski auf Schalke sind oder Leon Goretzka im Ruhrstadion. Der Pott ist am Ende. Das hat das 0:3 gegen die Langweiler aus Düsseldorf gestern gezeigt. Diese Art von Solidarität können sich die Fußballer nur leisten, weil die Vereine längst keine Konkurrenz mehr sind. Für Fortuna oder eben auch Holstein. Der Ruhrpott ist kaputt.
Auch bei Spielen des magischen Ballspielvereins können wir dieser Tage vermehrt Spieler auf der Tribüne sehen.
Eigentlich ist das immer nur Marco Reus und ich frage mich schon, warum der Junge nicht mal früher in Dortmund angekommen ist.
Die Fans lieben ihn, haben ihn immer geliebt.
Was für ein hanebüchener Quatsch! Sie haben ihn vielleicht respektiert, aber waren doch immer wieder erstaunt, wie wenig nahbar dieser Mister 1:0 sich dann gegeben hat. Vielleicht war er einfach nur schüchtern, denn diese Momente in Paris und dann am vergangenen Wochenende im Westfalenstadion gehören jetzt schon zu den ikonischsten Momenten der Vereinsgeschichte. Dieses verschmitzte Lachen von Reus, der ja wirklich aussieht, wie einer aus Block 13, bei der Ansage, jetzt auch in Wembley zu gewinnen. Sein Versprechen dann, den Pott zu holen. Weil, wie er später schrieb, er „einer von euch!“, einer von der Süd ist. Das hat er bis dahin vielleicht nie gespürt.
Weil, machen wir uns nichts vor, er diese Nähe auch nicht spüren wollte.
Ja. Die Geschichte von Marco Reus ist eine kuriose. Sie steht symbolisch für die langen, bleiernen Jahre der Echten Liebe nach Jürgen Klopp und nach dem ersten Finale in Wembley 2013. In Reus spiegelte sich der Dortmunder Stillstand auf hohem Niveau. In seinen wechselnden Sturmpartnern die Sehnsucht nach dem letzten Schritt und in seiner Treue die Angst vor Veränderungen. Der BVB hatte es sich über viel zu lange Zeit einfach gemütlich dort eingerichtet. Reus erzielte oft genug das 1:0 und so ging es immer wieder und trotz allem Vergangenheitsverlangen nach Europa. Reus war Borussia Dortmund.
Und in Europa scheiterten sie stets und in der Bundesliga verspielten sie neun Punkte und konnten Mainz nicht schlagen.
Erst als die letzten Helden gingen, konnte die Befreiung gelingen. Mit Edin Terzić begann Anfang der 20er-Jahre tatsächlich ein neues Zeitalter. Eines, das bis zum Spiel gegen Atlético Madrid niemand aufziehen sehen konnte. Erst da nahm die Welt diesen Trainer überhaupt erst wahr.
Sie wollten Terzic in der Alten Försterei rausschmeißen, Herr Dembowski. Sie wurden gesehen! Dann aber 2:0 und Sie schwiegen.
Damit war ich nicht allein. Edin Terzić hat mehr Leben als eine Katze. Wissen Sie, Heistek, als der BVB gegen Eindhoven das Viertelfinale erreicht hatte, traf ich zu später Stunde auf so viele niedergeschlagene BVB-Menschen. ‚Eigentlich‘, sagten die, ‚müssten wir glücklich sein. Doch da ist nur Frust und Angst und Ärger über dieses toxische Umfeld und die eigene Unzufriedenheit‘. Diesen Menschen war nicht zu helfen. Nur einer konnte das. Edin Terzić, der …
… im Internet eine Witzfigur ist …
… und sich das nie hat anmerken lassen und sich nie hat von den Analysten beeindrucken lassen, die lieber schönen Fußball sehen wollen und ihm ja bis heute, nach dem Einzug ins Finale der Champions League, die Fähigkeit absprechen, eine Profimannschaft zu trainieren. Das Internet, Frau Heistek, war ein großer Fehler. Deswegen bin ich dann weg und auf die Farm.
Als Sie verschwanden, ging es mit dem BVB aufwärts. Ihre Hass-Kommentare …
… jetzt hören Sie aber mal auf. Das große Wunder in diesem Jahr ist doch, dass diese Bande von Verstoßenen plötzlich im Finale steht. Das sind alles Spieler, die ja wirklich vollkommen zurecht nicht in den Datenbanken der ganz großen Vereine sind. Adeyemi, Füllkrug, Sabitzer, Can, Brandt, Hummels, Maatsen oder Sancho. Die sind überall entweder vom Hof gejagt worden oder waren nicht interessant genug. Ich mein: Der Torwart hat den größten Marktwert. Das meint alles! Terzić hat diese Mannschaft zu einem Monster geformt und den Verein endlich wieder geeint.
Wie das?
In dem Moment, in dem niemand mehr etwas vom BVB erwartet hat, war der BVB da und ganz anders, als sich das die Dreieckszeichner in den Sozialen Medien vorgestellt haben. Die Verstoßenen mit ihrem Anführer, der deutschlandweiten Witzfigur Terzić, waren zu ihren eigenen Bedingungen da. Jetzt liebt die ganze Welt den Ballspielverein.
Sie übertreiben!
Der Ballspielverein steht international jetzt für den Alten Fußball. Also einen ohne Investoren, ohne Staaten und ohne Superstars. Er steht für das Kollektiv und er steht für die Sehnsucht nach dem gemeinsamen Rausch von Fans und Spielern. Schauen Sie doch nur darauf, wie die Spiele in Paris mit dem Abpfiff in Richtung Auswärtsblock gerannt sind und die Fans in Richtung der Spieler. Mit dem Tor von Sabitzer gegen Atletico hat sich ein ganzes Jahrzehnt der Angst verabschiedet, mit dem Kopfball von Hummels in Paris hat ein neues Zeitalter begonnen. Eines ohne sehnsüchtige Blicke zurück.
Pathos. Pathos. Pathos. Genug BVB. Kurz zu den Bayern. Ihre Meinung zu Vincent Kompany?
Der neue Sören Lerby.
Und Bayer Leverkusen?
Auf der Meisterfeier tritt die Hermes House Band auf. Mehr muss man dazu nicht wissen.
Nie Deutscher Meister dürfte Hertha BSC werden. Sie bleiben in der zweiten Liga.
Ein schlimmes Jahr. Jetzt reisen die Schweine auch noch das Vereinskasino im Gesundbrunnen ab. Was denken sich so Menschen im Bezirksamt Mitte überhaupt? Die löschen mit einer Abrissbirne die letzten Hertha-Spuren im Wedding aus und niemand kümmert sich. Schade.
Herr Dembowski, was machen Sie am 1. Juni 2024?
Ich werde einige Runden mit Koi schwimmen und später mit Hugoito, Dieguito und Louisito die Grenzen verschieben. Wenn die Kraniche von ihren Ausflügen zurückkehren, werde ich auf der Veranda sitzen und den BVB in Wembley gewinnen sehen. Noch einmal Marco Reus inmitten der Fans. Noch einmal die Verbrüderung.
Dann demonstrieren Sie mal Verbrüderung. Wir danken Ihnen für dieses Gespräch.
Dafür nicht.
Zum Abschluss noch ein kurzer Blick auf den BVB international. Wie Gary Lineker weiß, hat der Abschied von Jürgen Klopp direkte Auswirkungen auf Borussia Dortmund. So hält sich das hartnäckige Gerücht, dass der ehemalige Meistertrainer der Dortmunder schon im kommenden Jahr im direkten Duell mit Hans-Joachim Watzke um den Posten als Präsident des e.V. streiten wird. Es dürfte ein epischer Kampf um die Gunst der Mitglieder werden.
Einer, der für die nächsten Jahre Dortmunds Platz an der Spitze eines der wichtigsten Rankings der modernen Fußballwelt zementieren könnte. Die ehemalige Bierhauptstadt der Welt hat sich in der bald abgelaufenen UCL-Spielzeit zum beliebtesten Reiseziel Europas entwickelt.
Das alles bereits vor Jamie Carraghers Liebeserklärung an die „Yellow Wall“, die vom umtriebigen Castrop-Rauxler Micky Beisenherz in einer der letzten Ausgabe seines Podcasts kunstvoll „Südkurve“ genannt wurde. Eine Entschuldigung folgte auf der Stelle. Teile der Fanszene sind weiterhin aufgebracht. Das alles interessiert die nach Dortmund reisenden Fußball-Touristen wenig. Für sie wird es immer The Yellow Wall bleiben. Sie wollen einfach nur Teil einer Fußballbewegung sein.
Eine Fußballbewegung, die auch im UK bereits vor dem Finale ihren Ruf als beste Fußballbewegung der Welt aller Zeiten gefestigt hat. Nicht ohne Grund wählten die Fans von Newcastle United bei der BBC die Dortmunder zu den besten Auswärtsfans der Saison. Es war das Spiel, das für Edin Terzić und den BVB alles veränderte. Ohne das 1:0 bei den Magpies würde niemand von einem Sieg in Wembley träumen. Erst nach diesem regnerischen 25. Oktober 2023 schaute Borussia nicht mehr zurück. Torschütze damals: der sonst so oft von Gott verlassene Felix Nmecha.
„Wie unergründlich sind seine Entscheidungen und unerforschlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer ist sein Ratgeber gewesen?“, fragt man sich da direkt und blickt in Richtung Mittellandkanal. Von dort kam nicht nur Nmecha, sondern dort soll es bald schon Sebastian Kehl hinziehen. Der Sportdirektor des BVB hat am Westfalendamm kaum noch Fürsprecher und könnte den Weg von Stefan Reuter gehen. Auch der war Kapitän der Borussia und wechselte nach seiner Karriere sogar in die Geschäftsführung. Dann Gerangel, Gerangel und Abgang. Michael Zorc blieb. Klopp kam und blieb bis zum 1:0 in Paris, dem wohl wichtigsten Spiel der jüngeren Vereinsgeschichte. Lesen Sie dazu auch das oben stehende Interview.
Ich hab mir in der Tat schon Sorgen um Dembo gemacht, aber irgendwie gewusst, dass er vor dem Wembley-Triumph nochmal an der Wasseroberfläche auftauchen würde. Koine Angst, hat der Papa mir gesagt. https://www.youtube.com/watch?v=b4Kl6Cqb9Zw
„Wie kam bloß der kleine Marco an den großen schönen Pokal ran?“
Dachte sicherlich sich jeder der ihn sah
Doch Edin lächelt leise denn er weiß auf sein Weise
Was er will und macht es irgendwie auch wahr
„Koine Angst“, hat der Papa mir gesagt
„Koine Angst“, hat die Dembo mir gesagt...