Dembowski steuert nächsten Tiefpunkt an
Die Klub-WM lässt auch den ehemaligen Ermittler des Jahres nicht kalt. Er fragt sich, ob da noch Leben ist? In den Herzen oder auf dem Mars?

Hauke Schill hatte den Dienstag noch nie gemocht. Ein Tag unter vielen. Werktag Nummer 2 in der nicht endenden Ansammlung voller Werktage für Berlins beliebtesten Kneipier. Diese Auszeichnung pappte seit einigen Wochen direkt neben der Jukebox. Die Gäste freuten sich für ihn. Manchmal, wenn er gute Laune hatte, erzählte er besonders freundlichen Kunden die Geschichte von Joe Zinnbauer, der ihn neulich erst im Eck besucht hatte. Dann zog Schill seinen Bademantel an, ging vor die Tür und rauchte eine in der Sonne.
Hauke Schill gab sonst aber wenig auf die Aufzeichnung. Er lebte sie einfach und es war ohnehin Dienstag. Ein Tag unter vielen. Ein Tag, den er noch nie gemocht hatte. Bislang! Denn Dietfried Dembowski hatte eine Idee. Jetzt hasste Schill den Dienstag.
"Dienstag ist Dembo-Tag", hatte er Schill wissen lassen. Es war der nächste verzweifelte Versuch, eine einzigartige Karriere zu retten. Dembowski hatte seine Ermittlertätigkeiten auf dem Nullpunkt begonnen und war dann immer tiefer gestürzt.
An diesem Dienstag nun saß er mit Justin Hagenberg-Scholz in der hintersten Ecke des Soldiner Ecks, sang "I Know There's An Answer", weil Brian Wilson gestorben war und bereitete einen Vorbericht für das Spiel Borussia Dortmund gegen Fluminense vor.
"Wusste Du, Justin, dass die Fleet Foxes eine ganze Karriere auf dieses eine Lied begründet haben?", sagte er zum Datenfuchs, der erschrocken von seinem Tablet aufschaute und daran erinnerte, dass seine Welt bei New Order beginnt, bei Depeche Mode Landmasse findet und bei Heaven 17 endet.
"Ich kenne nur die Berliner Füchse, aber die taugen nichts", sagte Justin und finalisierte lieber seine Präsentation, die mit Spielbeginn als Second Screen auf der Leinwand des Soldiner Ecks zu sehen sein würde. "Heute", sagte er, "muss der BVB den inoffiziellen Weltmeistertitel für Europa verteidigen. Für die Freiheit!"
Das mit Europa brachte Dietfried Dembowski auf eine Idee. Denn Dienstag war Dembo-Tag und er hatte das was mit Europa gelesen. Dieser versnobte Kontinent, der einfach dachte, dass ihm alles gehörte. Da hatte der Kontinent jedoch die Rechnung ohne die Klub-WM gemacht. Die war eine Weltrettungsidee. Das war klar! Nur Europa war mal wieder blind. Zum Glück aber wendete sich das Blatt. Ganz tief unten, da wo noch niemand war, arbeitete Dembo schnell an seinem Kommentar.
Ist da noch Leben auf dem Mars?
Ein Kommentar von Dietfried Dembowski, Soldiner Eck
Jetzt beginnt die Klub-WM. Der BVB ist endlich dort, wo er sich sieht. Am ersten Anstieg zum größten Titel der Fußball-Weltgeschichte. Die Chancen sind gering, doch die Dortmunder seit Jahren eine Mannschaft für den internationalen Wettbewerb. Ungeschlagen auf der Weltbühne, in Europa seit dem Abgang von Jürgen Klopp eine Konstante in der Königsklasse, national immerhin präsent, aber langweilig.
Das war außerhalb Deutschlands anders. Kein Wunder, dass der BVB immer mehr die lokalen Wurzeln austrocknen ließ. Nach ihren Erfolgen stellten die Dortmunder immer wieder heraus, dass ihnen ihre Erfolge gelungen waren, obwohl sie aus Dortmund kamen und nicht weil sie aus Dortmund kamen. Die Stadt war dem Verein zum Standortnachteil geworden.
So genoss der Klub die Schritte aus der Stadt: Umso internationaler er sich aber gab, umso austauschbarer wurde er. In der Ferne war der Borsigplatz nur ein Name, war die Stadt nur Kulisse für den Verein, der sich so als der andere deutsche Verein inszenierte. Es gab den FC Bayern München für die Gewinner und es gab Borussia Dortmund für die, die ihre Niederlagen in Triumphe umdeuten konnten.
Spiele im Westfalenstadion, einem der wenigen deutschen Bauwerke von Weltruf, wurden nicht nur besucht, um Siege zu feiern, sondern um Teil von etwas Bedeutungsvollem zu sein. Die Fans von Borussia Dortmund träumten sich ins Westfalenstadion und um immer mehr Träumer auf der ganzen Welt für sich zu gewinnen, betrieb der Klub, wie so viele Klubs in diesen Tagen, Raubbau an den Werten des Spiels. Er tat dies wohl nicht aus böser Absicht, sondern vielmehr, weil die Sucht auch den Blick des ehemaligen Malocherklub geweitet und kälter gemacht hatte.
"Der Fußball gehört uns Europäern nicht alleine", hatte Ober-Boss Aki Watzke in seiner Sonderwerbesendung für sich und den FIFA Club World Cup im "Kicker” gesagt. Er hatte vergessen, die wahren Besitzer des Spiels zu erwähnen: Saudi-Arabien. Zugeben: Danach hatte das mit dem am Saudi-Tropf hängenden Streamingdienst DAZN kooperierende Fachmagazin auch nicht gefragt. (Erwähnt hatte das aber Chaled Nahar in der Sportschau)
Es war einfach so passiert: Saudi-Arabien hatte sich mit der Beteiligung an DAZN auch einen Anteil an der Fußball-Bundesliga gesichert. Der Wüstenstaat war überall. Daran störte sich niemand mehr. Das PIF-Geld floss in Strömen und befriedigte die Gelüste der Spieler, Berater und Funktionäre. Sie alle machten einen guten Schnitt. Die Zuschauer zahlten. Preiserhöhungen hier, Preiserhöhungen da.
Mehr Spiele, mehr Reisekosten. Der Fußball eines europäischen Spitzenklubs kostete die Fans immer mehr. Sie boten die Kulisse für das internationale Armerudern um immer neue Werbegelder. Die Vereine waren ebenso süchtig wie die Fans. Die Vereine hatten massig Moral und Werte über Bord geworfen. Das war nur Ballast. Die Klubs waren schizophren geworden. Bedienten lokale Interessen, waren Förderer demokratischer Strukturen und warfen sich, wenn es dunkel wurde, Autokraten und Menschenvernichtern in die Arme. Alles für den sportlichen Erfolg, der längst einen zu hohen Preis hatte. Den eigentlich keiner mehr bezahlen sollte. Aber alle waren süchtig.
Niemand kam auf die Idee, das Rennen zu verlassen. Der Fußball der Moderne hatte sich aufgegeben. Er war abhängig und so war es dann eben. Auf den Portalen schrien die Marktschreier um die Wette und schwiegen trotzdem immer häufiger. Mit dem Beginn der Klub-WM hatten FIFA und DAZN sich neue Werbeslots ausgedacht. Sie sendeten ihre Werbung jetzt einfach mitten im Spiel. Crypto, Wettanbieter und was der Teufel sonst noch hergab. Es war ein erneuter Dammbruch.
Aber die Wucht war auch schon egal. Die Geschwindigkeit der Dammbrüche hatte nicht nur im Fußball derart erschreckende Ausmaße angenommen, dass alles, was passiert, in Wahrheit eine wilde Abfolge von mit dem menschlichen Auge nicht mehr wahrzunehmenden Dammbrüchen war. In diesen Momenten hätte der VAR helfen können. Er hätte jeden einzelnen Moment anhalten können. Und wäre es nur gewesen, um den Menschen noch etwas Luft zu lassen.
Doch es geschah nicht. Immer mehr. Immer mehr. Immer mehr. Und für alles gab es ja gute Begründungen, die mit dem Weltfrieden zusammenhingen. Wie alle, die irgendwann mit der Macht in Berührung geraten waren, wähnte sich auch BVB-Boss Watzke in der Nähe des Friedensnobelpreises.
"Wir müssen zur Kenntnis nehmen, dass in Südamerika, in Asien und in Afrika ein großes Bedürfnis herrscht, auch mal gegen Real Madrid oder Bayern München zu spielen", sagte Watzke und ließ damit alle Kritiker verstummen. War da Leben auf dem Mars?
Justin Hagenberg-Scholz las den Text.Er schüttelte entsetzt den Kopf. “Ein neuer Tiefpunkt Deiner Karriere”, sagte er voller Anerkennung. Hauke Schill drückte ein neues Lied und irgendwann trudelten die ersten Gäste ein. Es war Dienstag. Es war entsetzlich.
Yes, sir. Road trip mit der family. Morgen Baseball, Reds vs Yankees mit Mr Keith Richardson, dann guckt die Yankee family noch den nächsten Klassiker gegen Ulsan und fliegt zurück nach Jordanien, inshallah, wenn der Luftraum im Mittleren Osten freigegeben ist. Sohn #1 bleibt hier in der Hoffnung, dass die BVB Festspiele noch weitergehen. Hat seit 2 Jahren kein BVB Spiel verpasst, der Bengel. Gruß aus Cincinnati.
Ich hatte vor 14 Tagen mehr Spass beim Freundschaftsspiel zwischen Gabun und Niger vor rund 500 fast ausnahmslos afrikanischen Zuschauern in dem 10.000 Seelen fassenden Stadion von Racing Club Casablanca in Marokko als gestern im MetLife Stadion in East Rutherford, NJ. Einmal "Football, fucking hell!" und einmal "football gone to hell".