Bundesliga, endlich wieder Bundesliga
Dietfried Dembowski feiert Jadon Sancho und vergisst alles. Am Montag liest er ungeheuerliche Dinge über das Wochenende. Als er davon erzählt, schläft JHS ein.
Der Ermittler stürmte laut brüllend ins Soldiner Eck. „Bundesliga, endlich wieder Bundesliga“, rief er und klatschte einen Stapel Zeitungen auf die Theke, sodass sogar Justin Hagenberg-Scholz‘ KiBa umstürzte und sich über die Titelseite des „kicker“ ergoss. „Macht nix, JHS“, klopfte Dembowski dem Datenfuchs auf die Schulter, „stand sowieso nichts drin. Es ist das langweiligste Interview aller Zeiten. Und genau das macht mir Sorgen.“ JHS hörte nicht hin. Es war ihm vollkommen egal, was Dembowski jetzt schon wieder von ihm wollte. Er war mit den Gedanken ganz woanders. In den USA standen die Vorwahlen auf dem Programm. Er fürchtete sich vor dem Unheil, dass diese anrichten konnten. Zu präsent war seine Erinnerung an die von ihm ja letztlich gestohlene Wahl und was die mit Donald J Trump gemacht hatte. Der Bald-Wieder-Präsident hatte ihm mit Rache gedroht und zumindest seine Einreise zur FIFA Klub WM 2025 war nun in Gefahr.
Aber Dembowski ließ sich nicht von diesen Kleinigkeiten ablenken. Er hatte schon zu viel in seinem Leben gesehen und wusste, dass alles irgendwann enden würde. Auch für JHS. Der Ermittler war noch etwas gezeichnet vom Samstag. Was hatte er gefeiert! Die Bundesliga war immerhin zurück. So richtig erinnern konnte er sich nicht mehr daran, denn alles nach Sanchos Sensationsvorlage für Marco Reus in der 77. Minute im Spiel beim SV Darmstadt war eben dieser Feierei zum Opfer gefallen. Es war einfach das perfekte Comeback und die Borussia auf dem Weg zurück in die Königsklasse und was noch viel wichtiger war: Sie war gerüstet für das alles entscheidende Achtelfinale in der Champions League. Gegen PSV Eindhoven würde sich das Schicksal des BVB entscheiden. Ein Weiterkommen würde die Qualifikation für die FIFA Klub WM 2025 sichern und wer, wenn nicht der BVB, sollte dann in den USA den Titel holen? Die Krönung für König Aki und ewiger, weltweiter Ruhm für den BVB.
Weil Dembowski sich also nicht erinnern konnte, hatte er nicht nur sämtliche Zeitungen und Zeitschriften mit ins Soldiner Eck gebracht, sondern beauftragte jetzt auch JHS das Internet nach den wichtigsten Informationen zu durchforsten. Es war ja eine Menge passiert. Nicht nur in der Bundesliga, sondern auch in anderen Teilen der Fußballwelt. Als sie fertig waren, referierte Dembowski und alle schliefen ein. Zum Glück hatte Hauke Schill auf Record gedrückt und so wurde dieses eindrückliche Dokument doch noch für die Nachwelt festgehalten.
Lesen Sie hier den Wortlaut der Rede:
Meine Damen, meine Herren, lieber Hauke, bester JHS und Hallo Kai: Real Madrid hat den spanischen Supercup gewonnen. Im Finale besiegten die Königlichen Barcelona mit 4:1. Anders als noch im Halbfinale stand Toni Kroos in der Startformation und durfte sich im Al Awal Park in Riad erneut bei jedem Ballkontakt Pfiffe und Buhrufe anhören. Dem 34-jährigen Greifswalder war das egal. „Wir haben gerade eine Trophäe gewonnen“, schrieb er auf der Hassplattform X und hätte sich danach noch allerhand Beschimpfungen im Internet durchlesen können. Vielleicht hat er es getan, vielleicht aber auch nicht. Mit 32 Titeln ist er weiter auf Kurs der wohl erfolgreichste, und wohl auch beste, deutsche Spieler seiner Generation zu werden. Nicht einmal dem größten deutschen Fußballer, dem in der vergangenen Woche verstorbenen Franz Beckenbauer, ersparten die Saudis ihre Buhrufe. Warum es auch Beckenbauer bei der Schweigeminute traf, war bislang nicht genauer zu ergründen. Es ist im Prinzip auch egal.
Ein lesenswertes Interview über die deutsche Rolle in Saudi-Arabien, über den Gaza-Konflikt und wieso Deutschland so handelt, wie es gerade handelt, findet sich in der taz. Die Juristin Lina al-Hathloul erzählt dort von dem „paranoiden“ Kronprinzen, der durch seine aktuelle Politik seine Position im Westen stärken will. Über die Expo im Jahr 2030 und die WM 2034 sagt sie: „Wenn die Veranstaltungen dazu beitragen würden, die Realität vor Ort bekannt zu machen, würde ich mich freuen. Aber das Gegenteil ist der Fall. Die Menschen kommen nach Saudi-Arabien, beklatschen die Veränderungen und schweigen. Sie blicken nicht hinter die Fassade, sondern sind Teil des PR-Spiels der Regierung.“
Ein PR-Spiel, auf das sich der nach immer mehr Geld suchende Fußball natürlich ebenfalls gerne einlässt. Wie Hans-Günter Kellner in der FAZ berichtet, kassiert der spanische Verband für den Ausverkauf des Supercups 40 Millionen Euro pro Saison und dafür könne man sich viel kaufen. Den Deal eingefädelt hatte damals noch der mittlerweile verbannte Luis Rubiales, der sich damals im Jahr 2019 besonders darüber gefreut hatte, dass sich die Austragung des „Supercopa“ die Situation der Frauen in Saudi-Arabien verbessere. Das kann man sich doch nicht ausdenken.
Klassentreffen im Palmengarten
Nicht ganz so dramatisch ist die Situation in Deutschland. Dort, so bestätigte am Wochenende der Stuttgarter Boss Wehrle, ist trotz Investoreneinstieg ein Wechsel nach Saudi-Arabien aktuell noch ausgeschlossen. Das ist doch prima. Hoffentlich auch glaubwürdig. Bevor sich nun die Klubbosse am Dienstag im Gesellschaftshaus des Frankfurter Palmengartens zum Neujahrsempfang treffen und gewiss noch einmal die umstrittene Investorenentscheidung diskutieren werden, hat die DFL die Registrierung für die Medienrechte ab der Saison 2025/2026 geöffnet. Ein Rückgang der Einnahmen pro Saison unter die Milliardengrenze wird befürchtet, neue Formate wie eine ligaweite Dokumentation und neue Perspektiven aus der Kabine sollen das verhindern. Ausgeschrieben sind die Rechte für den deutschsprachigen Raum, der laut DFL Deutschland, Österreich, Schweiz, Liechtenstein, Luxemburg, Südtirol und Ostbelgien beinhaltet.
Die Frage, die bei den Diskussionen beantworten werden soll, ist die nach dem Wert des deutschen Fußballs. Bei den Spielen der Samstags-Konferenzen waren beim Spiel Mainz gegen Wolfsburg und Leipzig gegen Frankfurt riesige Lücken in den Stadien auszumachen. In den nächsten Jahren dürften diese auch woanders eher größer als kleiner werden. Die unkritischen Fans, die sich Kunstprojekte wie RB Leipzig heranzüchten, lassen Leidenschaft und vor allen Dingen auch Widerstandskraft vermissen. Ihnen geht es um Unterhaltung und nicht um die von anderen Fans eingegangene lebenslange Leidensgemeinschaft. Erfolge im Fußball sind rar, die Untiefen eines Lebens als Fan jedoch mindestens so lohnenswert wie die wenigen großen Erfolge.
Super Bayern, super Fans
Ausgenommen davon sind natürlich die Fans des FC Bayern München, die seit über einem Jahrzehnt aus dem Feiern nicht mehr herauskommen. Die bewiesen beim Spiel gegen die TSG Hoffenheim erst ihr Feingefühl und sangen von den Guten Freunden, die niemand trennen kann, verabschiedeten Franz Beckenbauer und spulten dann doch ihr Protestprogamm ab. Nicht unbedingt zur Freude von Trainer Thomas Tuchel, der nach dem Spiel außer sich war. "Ich glaube, es war noch Stimmungsboykott wegen DFL-Investoren-Drama oder -Krimi, was auch immer - keine Ahnung", schimpfte Tuchel und ergänzte: "Es wird mal wieder Zeit für ein Heimspiel mit Enthusiasmus."
Dabei protestieren die Bayern-Fans mit unheimlich viel Enthusiasmus. Gegen den Investor im Allgemeinen, gegen einen Investorenkandiaten, dem mit Saudi-Geld aufgehübschtem Unternehmen CVC, im Besonderen und auch gegen das neue Joint Venture des FC Bayern München namens Red & Gold, dass es auf Klubs außerhalb Europas abgesehen hat. Es ist Teil einer neuen Strategie der Bayern, die, wie der „kicker“ kürzlich berichtete, via Los Angeles FC auch in den europäischen Markt drängen wollen. Der Grashopper Klub Zürich steht auf der Speisekarte dieses neuen Multiclub-Ownership-Unterfangens.
Drei verzweifelte Parteien
Da kann Thomas Tuchel schon einmal schimpfen. Die Fans des FC Bayern machen sich immer bemerkbar, groß etwas ändern werden sie trotzdem nicht. Vielleicht wird aus Katar wieder Ruanda. Aber sie machen was und sie wissen, dass sie wahrgenommen werden. Trotzdem ist das Spiel zu abgedreht. Am Böllenfalltor traf unterdessen zum Jadon Sancho. Ein willkommener Anlass für Andy Brassell im „Guardian“ noch einmal auf den Trademark-Wintertransferfenster-Transfer zu schauen.
„Drei verzweifelte Parteien kommen zusammen, um die beste und am wenigsten schlimme Lösung für ihre unmittelbaren Probleme zu finden. Der Auftakt der aufgefrischten Liebe zwischen Spielern und Verein unterstrich genau, warum sie sich zusammengefunden haben und warum sie sich zu diesem Zeitpunkt so brauchen, wie sie es tun“, schrieb Brassell. Einen Tag drauf brachte sich Sportdirektor Sebastian Kehl bei Sky für den Posten als neuer CEO beim BVB in Stellung. Dabei sind die aussichtsreichsten Kandidaten nie die, die am lautesten schreien.
Dann brach auf dem Band ein Tumult aus. „Was ist mit Bayer Leverkusen“, schrie JHS und Gläser flogen an die Wand. „Lang lebe der HSV“, rief Schill und von Straßengeräuschen noch leicht übertönt war sogar der schwache Gesang der Hertha-Fans rund um das Soldiner Eck zu vernehmen. Denn schon am nächsten Wochenende würde auch die 2. Bundesliga zurückkehren.